Andreas
Frye | Oscar Wilde - Die Ballade vom
Zuchthaus zu Reading
Der Höllensturz Oscar Wildes,
dieser heute allseits geliebten
Persönlichkeit der Weltliteratur - einer im Grunde naiven Natur -,
diese Erfahrung von Gewaltsamkeit, widersinniger Moral und
Ausstoßung, auch Wildes während der Zuchthaushaft erheblich
an Bedeutung gewinnende Religiosität greift Andreas Fryes
Programm in einer sensiblen Mischung aus Distanz und Einfühlung
auf. Nachsingungen von Versen Paul Gerhardts und von Psalmen Davids
reißen die durch Wildes Ballade nur ästhetisiert und auf die
Person eines hingerichteten Mithäftlings projiziert wiedergegebene
Seelenbefindlichkeit von ganz anderen Seiten her weit, klaffend und
profund auf. Dasselbe geschieht, wenn die Feinheit der Empfindung, aber
auch die Ironie gegenüber einer romantisch-idealistischen
Lebensauffassung, wie sie Wilde zueigen war, durch zwei Lieder Frank
Wedekinds, Wildes deutschem Zeitgenossen, heranwehen, und wenn
schließlich John Dowlands stilisierter Liebesabschied "Now! Oh,
now I needs must part" die Peripetie der Hinrichtungsbeschreibungen
durchpocht.
De profundis, aus den Tiefen, den Abgründen - dies war der Titel
eines langen Briefes, den Wilde aus dem Zuchthaus an seinen Geliebten
verfaßte, niemals abschickte, und der stattdessen postum unter
eben diesem Titel veröffentlicht wurde. Darin ist neben aus
biographischen Gründen Vielzitiertem auch einiges vom Waschen
schmutziger Wäsche, von jenseits des Privaten nicht viel
Mitteilendem. Der Titel aber, von dem Herausgeber vergeben, würde
auch auf das Programm Andreas Fryes passen, das das Moment der
völligen Verzweiflung nicht scheut, in Liedern und Texten, in
deren Mittelpunkt Wildes berühmte Ballade steht. Und in den
Abgründen, da waltet, worein das Licht der Kunst gehört: die
Nacht um den Schlaf der Vernunft.
Oscar Wilde hat mit einer Pressekampagne, die er unmittelbar nach
seiner Entlassung von Frankreich aus führte, übrigens einen
nicht zu knappen politischen Erfolg erzielt. Unter Druck gesetzt von
seinen Beschreibungen der der Öffentlichkeit offenbar nicht
bewußten in englischen Gefängnissen herrschenden
Zustände, wurden vom Unterhaus mehrere Gesetzesnovellen auf den
Weg gebracht, die den englischen Strafvollzug bedeutend humanisierten.
Produktionsdaten
Besetzung: Klavierbegleitung
Dauer: ca. 75', ohne Pause
Uraufführung am 24.
November 2004 in der Bellman-Bar, Berlin